Während meines Studiums hatte ich das Glück, in einem deutschen Familienzirkus, dem Zirkus Renz, mitarbeiten zu dürfen. Sehr oft konnte man den Medien in den vergangenen Jahren unschöne Dinge über solche kleinen, meist veralteten und vom Aussterben bedrohten Betriebe entnehmen. Aber es ist auch nur gut, daß heutzutage nicht mehr kritiklos die „Kunststücke“ von armen Tieren beklatscht werden, die ihre Leistungen keinesfalls mit Freude sondern nur unter Zwang erbringen und ihr Leben in einer Umgebung und auf eine Weise fristen müssen, die so gar nicht ihren Grundbedürfnissen entspricht. Ganz anders waren jedoch meine Erfahrungen in meiner Zirkusfamilie und „Familie“ meine ich hier wörtlich, denn man fühlte sich so herzlich aufgenommen, wie ein Familienmitglied. Und genau so wurden auch die Tiere behandelt. Sie waren kein „Arbeitsmaterial“, kein Mittel zum Zweck sondern wichtigster Teil der Gemeinschaft. In Zeiten, wo Kinder und Jugendliche durch Fernsehen und Video (PC's für Jedermann gab es noch nicht) mit Sensationen, Rekorden und special effects überladen wurden, hatte das große Zirkussterben bereits begonnen. Aber selbst wenn kaum Geld in den Kassen war, für die Tiere wurde immer an erster Stelle und gut gesorgt. Familie Renz versuchte gerade den Stadtkindern, die so etwas zum Teil noch nie in natura gesehen hatten, die verschiedenen Tiere, deren natürlichen Lebensraum und ihre Eigenarten in anschaulichen Erklärungen und zum „Anfassen“ näher zu bringen.

 Bei unseren Tieren handelte es sich durchweg um deutsche Nachzuchten, die alle im Zirkus das Licht der Welt erblickt hatten. Die Arterhaltung gehört zu den Grundbedürfnissen einer jeden Tierart. In Gefangenschaft klappt die Sache mit der Vermehrung jedoch nur dann, wenn man ein Umfeld schaffen kann, das weitestgehend auch die anderen Grundbedürfnisse abdeckt bzw. zuläßt. Die Tiere des Zirkus Renz waren alle gesund, gepflegt und ausgeglichen. Während zu dieser Zeit in den meisten Bundesländern in Deutschland noch nicht einmal die Ständerhaltung für Pferde verboten war, wurden diese Tiere bereits in Laufställen mit reichlich Sozialkontakten zu Artgenossen, Ausläufen unter freiem Himmel, mit Bewegung und nicht zuletzt Arbeit in der Manege gehalten, die frei von Zwängen und Gewalt war sondern durch Freude und Motivation geprägt wurde.


Für mich war das eine sehr glückliche Zeit mit Erfahrungen, die ich nicht missen möchte und für die ich sehr dankbar bin. Ich durfte mit großartigen Menschen und fantastischen Tieren zusammen sein. Ich habe sehr viel gelernt und versuche, diese positiven Erkenntnisse auch heute noch stets beim Zusammenleben mit meinen eigenen Tieren, im Rahmen unserer Haltungsform, bei meiner täglichen Arbeit sowie im Umgang mit ihnen umzusetzen.